Interview im Vilshofener Anzeiger am 20. März 2019 von Helmut Rücker.
Glückwunsch! Sie feiern heute Ihren 125. Geburtstag. Wie geht es Ihnen?
Klaus Prähofer: "Ihre Frage ist leicht doppeldeutig. Nicht ich oder mein Vorstandskollege Martin Tiefenbrunner haben ein solches biblisches Alter erreicht, sondern die Bank, die wir vertreten. Und dieser geht es – trotz des hohen Alters (lacht) – ausgezeichnet.
Martin Tiefenbrunner: "Für uns Menschen ist ein biologisches Ende absehbar. Bei einer Institution wie einer Genossenschaftsbank gelten diese natürlichen Regeln zum Glück nicht."
Lassen Sie uns trotzdem über die Geburtsstunde reden.
Prähofer: "Das war der 4. Februar 1894. An diesem Tag haben in Windorf 21 Bauern, Handwerker, Gewerbetreibende, Privatiers, der Lehrer und der Pfarrer einen Darlehenskassenverein gegründet."
Warum?
Tiefenbrunner: "Na ja, die Zeiten des Tauschhandels waren zusehends vorbei. Wer einen Futtertrog haben wollte, bezahlte bisher damit, dass er die Granitwanne mit Getreide auffüllte. Händler oder Handwerker wollten zusehends Geld als Gegenwert haben."
Prähofer: "Oft waren Viehhändler jene, die Geld verliehen – da war auch schon mal ein Wucherer dabei. Vornehmlich Pfarrer gründeten aus ihrem sozialen Engagement heraus die Darlehenskassenvereine. Nicht selten waren sie die Geschäftsführer. Seinerzeit wurden sie ,Rechner‘ genannt."
Wie muss man sich das vorstellen: Gab es schon einen Bankschalter?
Prähofer: "Iwo! Das Geldgeschäft erfolgte in privaten Räumen. Das hat sich lange so gehalten. Ich selbst kann mich noch daran erinnern, dass eine Raiffeisenbank in einem Raum einer Bäckerei untergebracht war. Da gab es einen Tresor und einen Tresen. Da ist Geld ein- und ausbezahlt worden."
Tiefenbrunner: "Die Raiffeisen-Genossenschaften hatten ja ursprünglich ein Warenhaus für landwirtschaftlichen Bedarf dabei. Da waren die Landwirte quasi Zuhause. Als ein paar Jahre später die Volksbanken gegründet wurden, hatten sie vornehmlich Händler und Handwerker als Kunden."
Prähofer: "In den 90er Jahren stießen die Raiffeisenbanken ihre Lagerhäuser endgültig ab. 1994 wurde in unserer Region der Warenhandel als eigene Firma gegründet. Sie hat ihren Sitz in Rotthalmünster."
Wenn man heute die Volksbank - Raiffeisenbank Vilshofen sieht, hat sich ein enormer Wandel vollzogen.
Prähofer: "125 Jahre gehen nicht spurlos an einem vorbei. Da gab es ein stetes Auf und Ab. Es sei nur an die Kriegsjahre und an die Inflation erinnert. Es gab fast in jeder Gemeinde eine Genossenschaftsbank. Das waren dann solche Minibanken wie beispielsweise in Beutelsbach."
Die wurde dann irgendwann von der größeren Bank gefressen?
Prähofer: "Davon kann nicht die Rede sein. Die kleinen Banken hatte durchaus ihre Berechtigung. Die Menschen aus dem Dorf kannten ihren Bankmenschen. Zu ihm hatten sie Vertrauen. Da waren die Wege kurz. Zwischen 1965 und 1970 mussten die kleinen Genossenschaftsbanken jedoch einsehen, dass sie die Aufgaben nicht mehr allein bewältigen konnten. Das waren freiwillige Zusammenschlüsse."
Dazu gehörte auch, dass die Raiffeisenbank ihren Sitz von Windorf nach Vilshofen verlegte?
Prähofer: "Richtig. Zunächst war man in Vilshofen am Kirchplatz, 1974 wurde am Stadtplatz ein neues Bankgebäude bezogen, in dem sich vorher eine Bäckerei und ein Schuhgeschäft befanden. Inzwischen hatten sich die umliegenden Raiffeisengenossenschaften in Garham, Rathsmannsdorf, Eging, Pleinting, Hofkirchen und Alkofen mit Vilshofen zusammengeschlossen. Insgesamt gab es bei der Raiffeisenbank zwölf Fusionen, zuletzt jene mit der Volksbank."
Die schon einmal angestrebt worden war, aber im ersten Anlauf scheiterte.
Tiefenbrunner: "Das war Anfang der 2000er Jahre. Die Fusion scheiterte am Votum der Mitgliedervertreter. Die Raiffeisenbank war seinerzeit in der Krise. Beim erneuten Fusionsversuch 2017 sah das ganz anders aus. Wir sind jetzt gut zusammengewachsen."
Sie deuten ein dunkles Kapitel der Raiffeisenbank an. Sie stand 2001 vor der Pleite?
Prähofer: "Vier Jahre vorher hatten noch Sammarei-Haarbach und Vilshofen fusioniert. Mit 17 Geschäftsstellen hatte die Bank das größte Netz in ihrer Geschichte. Doch nur drei Jahre später gab es große wirtschaftliche Probleme mit massiven Kreditausfällen. Da zeigte sich, wie gut das Sicherungssystem funktioniert. Der Sicherungsfonds der Volksbanken/Raiffeisenbanken sprang mit 9,3 Mio. Euro ein. Mit einer neuen Vorstandschaft begab man sich auf den steinigen Weg der Eigensanierung. Was keiner geglaubt hatte: In einer Rekordzeit von sechs Jahren waren bis zum Jahresabschluss 2009 die gesamten Sanierungsmittel zurückbezahlt. Die Bank ist wie ein Phönix aus der Asche wieder auferstanden."
Hat das Bankenwesen Zukunft? Wird es in 25 Jahren eine 150-Jahrfeier geben?
Tiefenbrunner: "25 Jahre! So weit nach vorne zu blicken, ist gewagt. Wenn man die letzten 25 Jahre sieht, gab es eine sehr rasante Entwicklung. Allein wenn wir die Automatisierung anschauen: Das Geld wird in der Regel am Automaten geholt. Wer weiß, ob in zehn Jahren noch Bargeld benötigt wird?"
Prähofer: "Gehen wir mal auf die betriebswirtschaftliche Ebene. Zur Zeit haben wir in Bayern 236 Genossenschaftsbanken. Kürzlich waren es noch 400. So wie unsere Bank heute dasteht, sehe ich für die nächsten fünf Jahre keine Notwendigkeit einer Fusion."
Warum ist die Bank zu ihrem 125-jährigen Bestehen keineswegs altersschwach?
Prähofer: "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, sind mit unseren 36000 Kunden, 208 Mitarbeitern, zwölf Geschäftsstellen und 20 Geldautomaten gut aufgestellt. Unsere Kunden haben Vertrauen in uns. Klar gibt es Mitbewerber, die auf den ersten Blick supergünstige Konditionen haben. Doch wo sitzen die? Habe ich dort einen Ansprechpartner? Wir kennen unsere Kunden in der Regel persönlich, können ihre Situation bewerten und daraus Ratschläge geben, wenn es um eine Geldanlage, die Finanzierung eines Autos oder eines Eigenheimes geht. Dieses persönliche Verhältnis auch zu Unternehmern ist unsere Stärke. Wir wollen unsere Kunden mit unserer Beratung vor finanziellem Schaden bewahren. Das spüren die Menschen."
Tiefenbrunner: "Aus dieser Stärke heraus lässt sich gelassen feiern. Uns geht’s gut. Und mit dieser Zuversicht gehen wir in die Zukunft."